“Amerika ruft” – Auswandergeschichten aus Thüringen

TA vom 20.03.2022

BAD LANGENSALZA.  Amerika hat im 19. Jahrhundert viele Menschen gerufen – auch viele aus dem jetzigen Unstrut-Hainich-Kreis. Ihre Geschichten greift eine Ausstellung in Bad Langensalza im Stadtmuseum auf.

Salza-Gymnasiasten haben begonnen, einen weißen Fleck zu schließen. Sie untersuchten mit Historikern der Universität Jena die Auswanderung aus Thüringen im 19. Jahrhundert. Entstanden ist dabei eine der größten Datenbanken zum Thema. Denn sie konnten mehr als 73.000 Menschen ermitteln, die vom heutigen Freistaat-Gebiet in die USA auswanderten. Die Ausstellung „Lebe wohl Heimat – Amerika ruft“ im Stadtmuseum in Bad Langensalza zeigt jetzt Schlaglichter der Forschungen.

Mit dem Krieg in der Ukraine und den Hunderttausenden, die aus dem Land flüchten, hatte das Thema Auswanderung bei der Eröffnung der Schau am Freitagabend eine besondere Aktualität erreicht. Wie Michael Neumann berichtete, ging Deutschlands Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hin zum reinen Einwanderungsland. Im 19. Jahrhundert war das noch anders. Mehr als fünf Millionen Menschen wanderten damals aus – mehr als jeder Zehnter. „Das Thema war überall präsent und hat so etwas wie eine Kettenreaktion ausgelöst“, sagte er.

Neumann, der am Salza-Gymnasium Geschichte und Sozialkunde unterrichtet, hatte 2013 das wissenschaftliche Projekt mit dem Jenaer Professor Jörg Nagler initiiert. Sie bewarben sich damit erfolgreich beim Förderprogramm „Denkwerk“ der Robert-Bosch-Stiftung, wodurch die Finanzierung stand. Die gemeinsamen Forschungen von Bad Langensalzaer Schülern und Jenaer Studenten dauerten drei Jahre an.

Menschen veröffentlichten damals Auswanderungspläne in der Zeitung

denen in dieser Zeit jeweils die elften Klassen beteiligt waren, hatten zunächst mit der Quellenrecherche im Stadtarchiv begonnen. Denn laut Neumann war damals üblich, dass die Menschen ihre Auswanderungspläne in der Zeitung veröffentlichten. Danach besuchten die Schülerinnen und Schüler weitere Archive in Thüringen, etwa die Forschungsbibliothek in Gotha, die über die bisher größte Sammlung von Auswandererbriefen verfügt. Auch in Internetdatenbanken wurde recherchiert.

Die Ausstellung, die auch das frühe 20. Jahrhundert streift, entstand dann im Rahmen einer Seminarfacharbeit. Sie zeigt auf 27 Tafeln unter anderem die Beweggründe der Thüringer Auswanderer, ihre Reise und die Ankunft in der Neuen Welt. Natürlich findet sich in der Schau auch der berühmteste Auswanderer des Unstrut-Hainich-Kreises – der Mühlhäuser Johann August Röbling, der Architekt der Brooklyn-Bridge in New York war.

Bei dem Forschungsprojekt ist auch eine zweisprachige Internetseite (www.auswanderung-thueringen.de) entstanden, auf der die Daten zu finden sind. Laut Neumann sind damals wesentlich mehr Menschen ausgewandert als jene 73.000 Ermittelten. Denn vor allem in den amerikanischen Listen gibt es Übertragungs- und Rechtschreibfehler, was die Zuordnung erschwert. „Es gibt daher noch großes Forschungspotenzial“, verwies der Lehrer auch auf das Problem, dass das Thüringer Territorium damals zersplittert war. Zudem wurden für das Projekt kaum Kirchenbücher genutzt.

Die Ausstellung ist eine Wanderschau, die unter anderem schon in Hamburg zu sehen war. Museumsleiter Stefan Schuchardt freute sich, dass es bereits Anmeldungen von Schulklassen gibt.

Die Ausstellung ist bis 29. Mai zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr.